Retrospektive: Wohnen . Einfamilienhaus . Einfaches Bauen
- Fertigstellung 1998 -
Projekt minus1
Die Planung für das erste Projekt des Architekturbüros ap88 aus Heidelberg begann 1996. Nach 2 Jahren Projektzeit wurde das Einfamilienhaus N-B in Weisenheim am Berg (Rheinland-Pfalz) fertiggestellt. Der Leitgedanke des Entwurfs macht das Wohnhaus zu etwas besonderem und sorgt dafür, dass es heute, 25 Jahre später, wieder in den Fokus des architektonischen Gestaltens rückt.
Materialgerechtes und kostengünstiges Bauen unter Ausnutzung der natürlichen Möglichkeiten stand im Vordergrund des Entwurfs. Dieses halb vergessene Entwurfsprinzip des „einfachen Bauens“ erlebt gerade ein Comeback – immer mehr Bauherren und Architekten setzen wieder auf einfache, aber dauerhafte, ressourcenschonende und effiziente Low-Tech Gebäude.
An die für Rheinland-Pfalz typischen Winzerhöfe angelehnt, bildet das Ensemble aus Haupthaus, Anbau und Carport eine Hofsituation. Diese ermöglicht, trotz der Lage im Wohngebiet, Privatsphäre in diesem geschützten Außenraum. Offener, aber nicht weniger einladend, wirkt der Garten des Einfamilienhauses: Nach Süden und Westen orientiert, großzügig und naturnah angelegt konnte hier eine Biodiversität entstehen, die vielen Wohngebieten abhandengekommen ist. Abfließendes Regenwasser der Dächer wird in einer Zisterne gesammelt und zur ressourcenschonenden Gartenbewässerung genutzt.
Die Materialien für die Konstruktion des Einfamilienhauses Netzsch-Baum sind naturnah gewählt. Die Basis bildet ein haushoch monolithisch gemauertes U aus Ziegelsteinen. Die massiven Wände aus 30cm starkem Mauerwerk sind mit 2cm mineralischem Putz verkleidet und kommen ohne Dämmung aus.
In den massiven Baukörper wurde ein „Holzregal“ aus Geschossdecke, ebenerdiger Terrasse, durchlaufendem Balkon und Dachkonstruktion eingeschoben. Die Tragstruktur aus Holz wurde naturbelassen, die Holzbauteile in der Fassade sind mit einem wasserlöslichen Lack versehen, der in den 90er Jahren noch recht neu war. Stützen aus Stahl lassen die Südfassade leicht wirken und runden das offene Konzept der Fassade ab.
Charakteristisch für Low-Tech Gebäude sind meist geschlossene Fassaden, jedoch große Öffnungen zur Südseite. Die massiven Außenwände des Einfamilienhauses Netzsch-Baum werden nur durch Öffnungen unterbrochen, die zur natürlichen Lüftung notwendig sind, während sich die Südfassade durch vollflächige Holz-Glas-Elemente auszeichnet und sich hierdurch zu großen Teilen öffnet. Diese werden durch das weit auskragende Dach vor der Witterung geschützt. Gleichzeitig spendet das Dach im Hochsommer Schatten und schützt so das Gebäude vor Überhitzung. Die Strahlen der tiefer stehenden Wintersonne können jedoch ins Innere vordringen und für behagliche Wärme sorgen. Neben dem Schutz und der thermischen Regulierung des Hauses erfüllt das Dach eine weitere Rolle: Das ungestörte Satteldach bietet viel Fläche für Sonnenkollektoren und Photovoltaik, die das Gebäude mit erneuerbarer Energie versorgen.
Der Entwurf für das Einfamilienhaus N-B steht in all seinen Facetten für eine Architektur, die in heutigen Zeiten wieder stärker an Bedeutung gewinnt. Die Bauherren fühlen sich in ihrem Haus-Ensemble bis heute mehr als wohl.
„Noch bevor die vier heutigen Gesellschafter ap88 gründeten, fragten wir die Jungs, ob sie für uns nicht ein Einfamilienhaus planen und umsetzen wollten. Es musste natürlich einfach und kostengünstig sein. Heute, nach über 25 Jahren und mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit im Fokus, wissen wir das damalige Entwurfsprinzip des einfachen Bauens unter Ausnutzung der natürlichen Möglichkeiten nochmal mehr zu schätzen. Insbesondere sind wir von den Auswirkungen des Zusammenspiels von Glasfronten und Dachauskragung sowohl im Sommer als auch im Winter immer wieder begeistert.“